Stellungnahme
zur Initiative
Interessengemeinschaft
Starke Volksschule Kanton Bern
Weshalb
braucht es diese Volksinitiative?
Das
Stimmvolk hat 2006 einer Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters
und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und von deren Übergängen
sowie der Anerkennung von Abschlüssen zugestimmt (Bildungsartikel, §62 Abs. 4 der
Bundesverfassung). Doch diese sah lediglich geringfügige kantonale Angleichungen
vor.
Statt
die Lehrpläne der Kantone im Sinne einer Harmonisierung zusammenzufassen, wurde
dann von der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz ohne demokratische
Legitimation ein neuer Lehrplan mit neuen Inhalten, Lehrmitteln und einem neuen
Lern- und Unterrichtsverständnis geschaffen.
Am
Volk vorbei soll
nun eine gesamtschweizerische Schulreform mit weit reichenden Konsequenzen eingeführt
werden. Diese umstrittene Reform überfordert insbesondere schulisch schwächere Kinder,
womit die Chancengerechtigkeit in unserer Volksschule gefährdet ist.
Die
Einführung des Lehrplan 21 verursacht im Kanton Bern jährlich wiederkehrende Kosten
von über 30 Millionen Steuerfranken ohne pädagogischen Mehrwert!
Die
Umschulung der Lehrpersonen, neue Lehrmittel, der Aufbau eines umfassenden Controllings
und die Erarbeitung standardisierter Tests verschlingen Millionen von zusätzlichen
Steuerfranken. Ebenso führt dies zu viel Unruhe und Selbstbeschäftigung für Schulleitungen
und Lehrerschaft. Wir vertreten die Ansicht,
dass bei solch grundlegenden Änderungen des Lehrplans unserer Volksschule die Bevölkerung
mitreden muss. Wir Stimmbürger sollen mitentscheiden können, welche Schule und welchen
Lehrplan wir für unsere Kinder wollen. Diese Entscheide dürfen wir nicht mehr länger
dem Erziehungsdirektor alleine überlassen.
Deshalb
verlangt die Initiative, im Volksschulgesetz des Kantons Bern die Artikel 12, 12a
und Art. 74 zu ändern: Der Regierungsrat bleibt weiterhin zuständig für die Erarbeitung
neuer Lehrpläne. Der Erlass und die Einführung bedürfen jedoch zu ihrer Anwendbarkeit
der Genehmigung durch den Grossen Rat. Der Grossratsbeschluss unterliegt dem fakultativen
Referendum.
Die
Übergangsbestimmung verlangt, dass Lehrpläne, welche auf einen Zeitpunkt nach dem
1.
Januar 2017 in Kraft gesetzt werden, nachträglich durch den Grossen Rat genehmigt
werden müssen. Das bedeutet, dass der Grosse Rat und ev. die Bürgerinnen und Bürger
in letzter Instanz rückwirkend über die definitive Einführung des Lehrplan 21 beschliessen
sollen.
Diese
Volksinitiative garantiert sowohl die demokratische Mitsprache des Grossen Rates
sowie diejenige der Berner Bevölkerung in wichtigen Fragen zur Aufgabe der Schule.
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Stellungnahme
zur Initiative
Patrick
Freudiger, Rechtsanwalt
Mehr
demokratische Mitsprache beim Lehrplan
Im
Schulalltag haben Lehrpläne unbestrittenermassen eine herausragende Bedeutung. Umso
erstaunlicher ist, wie wenig Gewicht der rechtsetzenden Gewalt heute bei Erlass
und Einführung von Lehrplänen zukommt: Den Lehrplan 21 z.B. hat die Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren-Konferenz erarbeitet. Erlass und Einführung – faktisch ist
es eine Übernahme in Globo – erfolgen im Kanton Bern dann durch den Regierungsrat
bzw. die Erziehungsdirektion. Die französischsprachige Schweiz (und damit in Teilen
auch der Kanton Bern) hat in der Westschweizer Schulvereinbarung sogar die Kompetenz
zu Erlass und Einführung von Lehrplänen an eine interkantonale Behörde abgetreten.
Kantonale Kompetenzen verbleiben hier noch bei Lehrplanteilen.
Die
vorliegende Initiative will die Mitsprache des Parlaments und des Volkes in Lehrplanangelegenheiten
erweitern. Es wird darauf verzichtet, Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung
der Lehrpläne oder Lehrplanteile zu machen. Es geht einzig um eine Zuständigkeitsfrage.
Konkret sind folgende Änderungen beabsichtigt:
Art.
12 Abs. 1 (Lehrpläne für deutschsprachige Volksschule):
Gestrichen
werden soll die explizit genannte Berücksichtigung der interkantonalen Zusammenarbeit.
Soweit eine solche Pflicht zur Berücksichtigung besteht, ergibt sie sich bereits
aus übergeordnetem Recht (Bundesverfassung, HarmoS-Konkordat). Insoweit ist ein
Verweis überflüssig oder könnte zur Annahme verleiten, der Kanton Bern wolle mehr
harmonisieren als erforderlich.
Art.
12 Abs. 4 (Deutschschweizer Volksschule), Art. 12a Abs. 3 (Westschweiz):
Deutschschweiz:
Die bestehenden Zuständigkeiten werden nicht von Grund auf geändert. In der Hauptsache
bleibt der Erlass von Lehrplänen und Lehrplanteilen eine Angelegenheit der Exekutive.
Soweit es sich nicht um Pläne von untergeordneter Tragweite handelt, sollen sie
aber künftig zu ihrer Anwendbarkeit der Genehmigung durch das Parlament bedürfen.
Satz 1 von Abs. 4 verdeutlicht die Bedeutung dieser parlamentarischen Mitwirkung,
indem er grundlegend festhält, dass für Erlass und Einführung von Lehrplänen und
Lehrplanteilen neu sowohl die Regierung als auch das Parlament zuständig sind. Der
Gehalt der bisherigen Abs. 1 und 2, welche einzig die Regierung als zuständige Behörde
nennen, wird insoweit eingeschränkt. Lehrplan- und Lehrplanteiländerungen von untergeordneter
Bedeutung wird der Regierungsrat aber auch künftig in eigener Regie einführen können.
Diese Neuerung ist mit dem HarmoS-Konkordat ohne weiteres vereinbar, letzteres regelt
nämlich Fragen der innerkantonalen Zuständigkeit nicht.
Westschweiz:
Das Gesagte gilt entsprechend für den französischsprachigen Kantonsteil, hier allerdings
zufolge übergeordnetem Konkordatsrecht mit einer Beschränkung auf Lehrplanteile.
Die
Initiative will sodann ein Lehrplanreferendum einführen. Gestützt auf Art. 62 Abs.
1 Bst. f KV ist ein Referendum gegen Sachbeschlüsse möglich, wenn ein Gesetz dies
vorsieht. Fakultative Sachbeschlussreferenden sind z.T. bereits heute im Gesetz
vorgesehen: Beispielsweise wenn gemäss grossrätlichem Beschluss die Steueranlage
3.26 übersteigt (Art. 2 Abs. 4 StG) oder bei der Anordnung von Gemeindezusammenschlüssen
durch den Grossen Rat (Art. 4k Abs. 1 GG). Die mit Art. 12 Abs. 4 und Art. 12a Abs.
3 neu geforderten Genehmigungsbeschlüsse des Grossen Rates unterstehen also dem
fakultativen Referendum. In der Deutschschweiz gilt diese Referendumsmöglichkeit
für Lehrpläne und Lehrplanteile, im französischsprachigen Kantonsteil immerhin für
Lehrplanteile.
Art.
12 Abs. 5 (Deutschschweiz), Art. 12a Abs. 4 (Westschweiz):
Nachdem
Erlass und Einführung von Lehrplänen und Lehrplanteilen neu im Grundsatz eine gemeinsame
Zuständigkeit von Regierungsrat und Grossem Rat darstellen und darüber hinaus dem
fakultativen Referendum unterstehen, sind nach Auffassung des Komitees auch interkantonale
Vereinbarungen betreffend Lehrpläne und Lehrplanteile selbst bei Ratifikation dem
fakultativen Referendum zu unterstellen. Das ergibt sich an sich bereits aus Art.
62 Abs. 1 Bst. b KV. Im Sinne einer Konkretisierung und Hervorhebung erscheint uns
die Passage aber trotzdem sinnvoll.
Art.
74 Abs. 2:
Neu
kann und soll der Regierungsrat die Kompetenz zum Erlass von Lehrplänen und Lehrplanteilen
(soweit er noch zuständig ist) nicht mehr an die Direktion delegieren. Die bisherige
Blankoermächtigung an die Erziehungsdirektion hätte durch die vorstehenden Änderungen
ohnehin nur noch eingeschränkte Tragweite.
Inkrafttreten
und Übergangsbestimmung zum Lehrplan 21:
Die
Gesetzesinitiative soll sofort nach ihrer Annahme durch das Volk in Kraft treten.
Was geschieht dann mit dem Lehrplan 21? Gemäss den Ausführungen der Erziehungsdirektion
ist eine gestaffelte Inkraftsetzung des Lehrplan 21 ab dem Jahr 2018 geplant. In
der Übergangsbestimmung sieht die Initiative nun vor, dass grundsätzlich auch solche
Lehrpläne und Lehrplanteile noch (nachträglich) einer grossrätlichen Genehmigung
bedürfen, die vor Inkrafttreten der Änderungen in Art. 12 VSG erlassen worden sind
und auf einen Zeitpunkt nach 1. Januar 2017 eingeführt werden. Das ist beim Lehrplan
21 nach dem Gesagten der Fall. Gegen den damit erforderlichen grossrätlichen Genehmigungsbeschluss
zum Lehrplan 21 wird ein fakultatives Referendum ergriffen werden können. Heute
haben wir den 18. Januar 2016 – bei einer beförderlichen Behandlung der zustande
gekommenen Initiative wird sich eine allfällige „Rückwirkung“ in Grenzen halten
und mässig sein, soweit vorliegend überhaupt von einer (echten) Rückwirkung gesprochen
werden kann. Denn es ist in Erinnerung zu rufen, dass die vorliegende Übergangsbestimmung
Zuständigkeitsfragen regelt und nicht – wie bei problematischen echten Rückwirkungen
regelmässig der Fall – Eingriffe in geschützte Rechtsgüter.
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Stellungnahme zur Initiative aus der Sicht von Eltern
Rahel Gafner, Mutter, Mitglied Initiativkomitee
Zu
Beginn möchte ich auf ein treffendes Zitat von Prof. Dr. Walter Herzog hinweisen:
„In
einer demokratischen Gesellschaft mit einem öffentlichen Bildungswesen hätte ein
Lehrplan die Funktion, die Verständigung zwischen Öffentlichkeit und Schule zu gewährleisten.
Ein Lehrplan würde in groben Zügen festlegen, welche Aufgaben die Bürgerinnen und
Bürger der Schule zuweisen und welche Leistungen sie von ihr erwarten.“ Zitat Ende.
Diese
Aussage beschreibt sehr genau, was viele Eltern und engagierte Bürger erwarten.
Sie wollen früh genug informiert und einbezogen werden, wenn in der Volksschule
grosse Veränderungen geplant werden.
In
einem direktdemokratischen Land ist es selbstverständlich, dass wir Bürgerinnen
und Bürger in wichtigen Fragen zur Aufgabe der Volksschule mitreden. Schliesslich
sind wir es, welche für die immensen Kosten aufkommen müssen. Unsere Kinder sind
direkt betroffen, wenn in der Volksschule Reformen durchgeführt werden, die nicht
ihren Bedürfnissen entsprechen. Insbesondere wir Eltern verlangen eine ehrliche
und transparente Information, wenn in unserer Volksschule ein solch schwerwiegender
Paradigmenwechsel vollzogen wird!
Es
ist deshalb sehr befremdlich, dass der Lehrplan 21 von Anfang an unter Geheimhaltung
ausgearbeitet wurde. Selbst die Lehrerverbände kritisieren die anschliessend nur
auf Verbandesebene durchgeführte und viel zu kurze Vernehmlassung.
Die
Bevölkerung wurde mit Aussagen vertröstet wie: Bei uns im Kanton Bern ändert sich
mit dem Lehrplan 21 praktisch nichts, die meisten Veränderungen sind bei uns bereits
umgesetzt, die Lehrpersonen sind zufrieden mit dem neuen Lehrplan und freuen sich
auf seine Einführung. Wenn wir Eltern die Lehrpersonen auf den Lehrplan 21 ansprechen,
wird schnell klar, dass diese noch gar nicht darüber informiert wurden, was sich
mit der Einführung des neuen Lehrplans alles verändern wird.
Die
Öffentlichkeit wurde nie darüber informiert,
·
dass der Lehrplan 21 die Jahrgangsziele abschafft,
·
dass nur noch mit kompetenzorientierten Lehrmitteln unterrichtet werden darf, denen
meist der „rote Faden“ fehlt,
·
dass zunehmend individualisierter und selbstgesteuerter Unterricht angestrebt wird,
·
dass die Lehrpersonen ihre zentrale Bedeutung verlieren und zu Lernbegleitern degradiert
werden,
·
dass sich die Schulen periodisch externen Tests unterziehen müssen, was in anderen
Ländern bereits zu einer massiven Verschlechterung der Unterrichtsqualität geführt
hat.
Dazu
möchte ich gerne zwei Zitate erwähnen:
“Die
Lehrfunktion der Schule wird zugunsten Lernbegleitung und dem Lerncoaching zurückgeführt.
Der Akzent verschiebt sich von der Vermittlung auf die Selbstorganisation.“
Schweizer
Lehrplanforscher Prof. Dr. Rudolf Künzli
“Die
Botschaft ist ganz eindeutig, dass Lernende eigene Lernwege gehen sollen. Ich glaube,
das ist die grosse Änderung.“
Jürg
Michel, Beurteilungsspezialist im Umsetzungsteam Lehrplan 21
Etliche
Veränderungen, die der Lehrplan 21 mit sich bringt, sind in unseren Schulen zum
Teil schon umgesetzt. Dies ist unter anderem die Folge davon, dass die Pädagogische
Hochschule Bern die angehenden Lehrkräfte bereits „Lehrplan 21-konform“ ausbildet
und auch die Weiterbildungsangebote entsprechend angepasst wurden.
Es
erstaunt deshalb nicht, wenn von Schulen berichtet wird, die bereits Wochenplanunterricht
eingeführt haben. Viele Eltern klagen, dass mehrheitlich jüngere Kinder damit überfordert
sind und Unterstützung brauchen. Bei Schulbesuchen fällt auf, dass zum Teil die
Schülerpulte bewusst so angeordnet werden, dass die Kinder vom Lehrerpult wegblicken.
Auf Nachfrage wird erklärt, dies sei nötig, damit die Kinder nicht so sehr auf die
Lehrperson ausgerichtet seien.
Der
zunehmend selbstorganisierte und individualisierte Unterricht ist oft mit Unruhe
und Lärm verbunden. Pamir Gehörschütze, wie man sie aus dem Militär kennt, schaffen
hier Abhilfe...
Solche
Beispiele zeigen, wie von Anfang an Fakten geschaffen wurden, um einen Abbruch der
Einführung des Lehrplan 21 zu erschweren.
Der
Schweizerische Lehrerverband LCH hat sich im Jahr 2013 folgendermassen geäussert:
„Die
Politik behauptet, der Lehrplan sei „keine Schulreform“ und „kein Paradigmenwechsel“.
Genau das ist er aber: Er ist Teil eines Programms zur grundlegenden Umgestaltung
der Steuerung im Bildungswesen. ... Dieser Paradigmenwechsel wird die Schule, den
Unterricht und den Lehrerberuf massiv verändern.“
Wenn
die Volksschule derart umgestaltet wird, hat dies unweigerlich auch Auswirkungen
auf unsere Gesellschaft.
Deshalb
darf der Lehrplan 21 nicht am Volk vorbei eingeführt werden!
Ich
schliesse mit einem Zitat von K. Liessmann aus seinem Buch „Geisterstunde“:
„Jungen
Menschen viel Zeit einzuräumen, damit sie das Rad noch einmal erfinden, mag gut
klingen,
in
Wirklichkeit wird ihnen damit Lebenszeit gestohlen.“
Stellungnahme zur Initiative aus Sicht eines Reallehrers
Markus Dähler, Reallehrer NDS, Mitglied Initiativkomitee
„Nichts
ist so beständig wie der Wandel” (Heraklit
von Ephesus)
Veränderungen
prägen und begleiten unser Leben und unser Handeln.
Während
meinem bald 39jährigen Berufsleben habe ich verschiedene Lehrplanrevisionen erlebt. Aus einem handlichen
Büchlein ist ein dicker Ringordner geworden. Aus Inhalten wurden Lernziele. Immer
hat eine Lehrplan-Revision Entwicklungen in der veränderten Schullandschaft aufgenommen
und als verbindliche Grundlage definiert.
Alle
bisherigen Reformen haben mich weitergebracht, neugierig gemacht und haben mir die
Gewissheit vermittelt, den Anforderungen meines Berufes gewachsen zu sein.
Beim
Lehrplan 21 dagegen weiss ich nicht, was mich erwarten wird. In der methodisch-didaktischen
Weiterbildung zum neuen Fremdsprachenunterricht im Rahmen des Passepartout-Projektes
habe ich eine erste Kostprobe davon erhalten. Seit letztem Sommer arbeiten wir mit
unserer Realklasse mit dem neuen Französischlehrwerk „Clin d’oeil“ und ich versuche,
die Handlungsorientierung im Sinne des „konstruktivistischen Lernverständnisses“
umzusetzen. Auch freue ich mich auf das Austauschprojekt mit einer Genfer Partnerklasse
im nächsten Frühling.
Nur:
Das haben wir alles schon bisher umgesetzt.
Die
Wirkung des Konstruktivismus steht aus meiner Sicht in Konkurrenz zur Integration
durch gemeinschaftliches Lernen. Wird diese von einer starken Gemeinschaft getragen,
setzt auf partnerschaftliches Lernen, so beschreibt Kersten Reich (* 14. August
1948, deutscher Pädagoge und Kulturtheoretiker) … „sei das Lernen (im Konstruktivismus) dann
am effektivsten, wenn die Lernenden ihren Lernprozess umfassend selbst steuern können.“
Meine
Rolle wäre dann diejenige eines Fahrlehrers, welcher gleichzeitig 20 FahrschülerInnen
in ihren Fahrzeugen betreut…. Und stelle man sich vor, Othmar Hitzfeld hätte sein
Team gegen Argentinien nach konstruktivistischen Grundsätzen spielen lassen.
Unser
duales Bildungssystem setzt auf die „Meisterlehre“ als Gütesiegel. Dafür werden wir weltweit
bewundert. Unsere Jugendarbeitslosigkeit ist unvergleichbar tief. Und mein sozial-liberales
Selbstverständnis verlangt von mir, dass jeder und jede Jugendliche in unserer interkulturellen
Lerngemeinschaft auch in der Realklasse seine und ihre Chance kriegt.
Das
Lernen in allen Bereichen findet nach meinem Grundverständnis an der Grenze zum
Unbekannten statt. Lernen im konstruktivistischen Kontext setzt Pioniergeist, Neugier
und eine Methodenkompetenz voraus, welche in einem längeren Lernprozess erworben
werden muss. Aus der Erfahrung mit unseren RealschülerInnen als integrierende
Sammelbewegung verfügen
viele von ihnen nicht über die Steuerungsfähigkeit, über die notwendige Impulskontrolle
und Frustrationstoleranz und über das bildungsnahe soziale Umfeld mit den entsprechenden
Vorbildern.
Der
Lehrplan 21 ist kein natürlich gewachsenes Projekt mit breiter Abstützung und
einer entsprechend gründlichen und transparenten Erprobung. Es versucht, unter dem
Deckmantel der nationalen Koordination eine neue Schule zu verordnen. Der Schritt
im Kanton Bern von der Ziel- zur Kompetenz-Orientierung scheint weniger gross als
in anderen Kantonen. Von Bedeutung ist dagegen die konsequente Individualisierung
auch der Verantwortung für den Lernerfolg. Diese soll aber gleichzeitig durch die
Auslagerung der Evaluation eingeschränkt und beschnitten werden: Einer von vielen Widersprüchen.
Die systembedingte Kastration der „geleiteten Schule“ zugunsten
der externen Bildungsbürokratie gilt als weiterer (unbeabsichtigter?) Kollateralschaden.
Im
Schosse seiner Partei denkt Erziehungsdirektor Bernhard Pulver darüber nach, die
Semesterevaluation abzuschaffen. Damit werden
an der Sek-Stufe 1 …
· die
durchlässigen Schulmodelle mit halbjährlicher Umstufungsmöglichkeit in Frage gestellt,
· die
Probesemester abgeschafft,
· die
Empfehlungen der Lehrpersonen für den prüfungsfreien Übertritt in weiterführende
Schulen (nach dem achten und neunten Schuljahr) hinfällig, weil sie offenbar nicht
aussagekräftig genug sind und wohl durch eine generelle Prüfung oder Fremdevaluation
ersetzt werden,
· mehrheitlich
Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen oder migrationsbedingten Sprachdefiziten
beim Zugang zur höheren Bildung benachteiligt.
Die
Umsetzung des Projektes Lehrplan 21, wie es von der Bernischen
Erziehungsdirektion geplant ist, ist
überladen mit vielfältigen Auswirkungen. Diese schiessen weit über
das Ziel des unbestrittenen Reformanliegens der nationalen Koordination von Schulbeginn,
Dauer, Fächerkanon und Schnittstellen hinaus.
In
der Vernehmlassungsbotschaft zur Bildungsstrategie
2016 schreibt
Erziehungsdirektor Bernhard Pulver: „Nach verschiedenen Reformen in den vergangenen
Jahren weist das bernische Bildungswesen heute gute, zweckmässige Strukturen auf.
Das schafft Raum für die Schul- und Unterrichtsentwicklung auf allen Bildungsstufen.
Für diesen Prozess vor Ort will die Erziehungsdirektion die nötigen Freiräume und
die erforderliche Unterstützung zur Verfügung stellen“. In der Botschaft an den
Grossen Rat heisst es dann gemäss Medieninformation vom 15.1.2016: „Die Bildungsstrategie
ist auf positives Echo gestossen“. Interessant
ist einer von drei aufgeführten Handlungsschwerpunkten: „Die Bildungsstrategie 2016
übt bewusst Zurückhaltung bei der Auslösung von neuen Reformprojekten und Strukturveränderungen
und strebt eine finanzielle Stabilität an“.
Die
Lancierung der kantonalen Volksinitiative „Für demokratische Mitsprache – Lehrpläne
vors Volk!“ wird die Erziehungsdirektion
und die Schule bei der Umsetzung dieses Anliegens unterstützen und gleichzeitig
mithelfen, jährlich wiederkehrend Millionen für die Förderung der Kinder im Rahmen
der heutigen Konzepte zu sichern.
Sperrfrist:
18. Januar 2016, 12.00 Uhr. Es gilt das gesprochene Wort. / Markus Dähler
Medienmitteilung
Medientext
als Beilage zur Pressekonferenz vom 18. Januar 2016
Sperrfrist:
18.1.2016, 11.30 Uhr
Bern
Lancierung
der kantonalen Volksinitiative
„Für
demokratische Mitsprache – Lehrpläne vors Volk!“
Die
IG Starke Volksschule Kanton Bern hat am Montag im Berner Rathaus ihre kantonale
Initiative „Für demokratische Mitsprache – Lehrpläne vors Volk!“ vorgestellt. Das
überparteiliche Komitee will bis anfangs Juli 15‘000 Unterschriften sammeln.
pd.
Zum Schluss ging alles ganz schnell: Nachdem der Bernische Grosse Rat im November
2015 Mehrkosten von jährlich 22 Mio. für den Kanton und knapp 10 Mio. Folgekosten
für die Gemeinden durchgewinkt hatte, entschlossen sich die Initianten zur Lancierung
einer kantonalen Volksinitiative. Der Grosse Rat soll die Möglichkeit erhalten,
zur Einführung des Lehrplan 21 Stellung zu nehmen und allenfalls korrigierend einzuwirken.
In der aktuellen Fassung des Bernischen Volksschulgesetzes ist der Erziehungsdirektor
befugt, über Lehrplaneinführungen selber zu beschliessen.
Patrick
Freudiger als juristischer Berater des Initiativ-Komitees erläuterte die Rechtmässigkeit
des gewählten Vorgehens. So sei es legitim, den laufenden Inkraftsetzungsprozess
zu unterbrechen, um die parlamentarische Debatte zur Sache, nach Annahme der Initiative,
breit abgestützt führen zu können.
Rahel
Gafner als Mutter und Präsidentin der IG Starke Volksschule Kanton Bern erklärte
den Einspruch der betroffenen Eltern zur geplanten konstruktivistischen Methodik,
welche insbesondere die bildungsschwächeren Kinder überfordert und im Widerspruch
steht zu den Forschungsergebnissen von John Hattie. Markus Dähler führte als betroffener
Reallehrer (Oberstufenklasse) die finanziellen Konsequenzen an, für ein Projekt
ohne Konzept und mit umstrittenem Mehrwert. Die massive Kostensteigerung für die
Gemeinden hat auch Gemeindepolitiker zur Kritik veranlasst. Dähler sieht auch die
Errungenschaften der Integration und Gemeinschaftsbildung gefährdet, wenn der Paradigmenwechsel
zur ungezügelten Individualisierung umgesetzt werden sollte.
Das
siebenköpfige überparteiliche Komitee wird von einem Unterstützungskomitee mit zahlreichen
Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft unterstützt. Diese tragen die Anliegen
der Initianten in den ganzen Kanton hinaus. Ab Donnerstag, 22.1.2016 sind sie unterwegs.
Mitte Juli soll die Initiative eingereicht werden.
Auskunft
und weitere Infos:
Peter
Freudiger, Rechtsanwalt, Waldhofstrasse 58A, 4900 Langenthal, 079 723 29 52, p.freudiger@besonet.ch
(Pressetext
zur freien Verfügung: 2400 Zeichen)